Miss Lola erschien eines Tages auf Empfehlung bei mir im Atelier.Eine Augenweide, trotz verlaufenem Make-up und mieser Laune.Ein ganz zierliches Persönchen. Modisch, dem klassisch französisch Chic verfallen und die Nase höher als der Eifelturm.Sie legte Wert auf Ihr Äußeres, das konnte man auf Anhieb erkennen. … und dann diese Haare, ultralang, gesund und rot…
Ich hätte am liebsten direkt hineingefasst, denn solche Haare sind rar. Da bebt und tanzt mein Friseurherz wie wild in der Brust.Die Haarstruktur erinnerte mich sofort an die Haare meiner Mutter.
Sobald einem aber wieder bewusst wird, das man diese wunderschöne Haarpracht eventuell abschneiden und abrasieren muss, setzt dieser dumpfe Schmerz sofort ein und man wünscht sich sofort, das die Betroffene sich einfach in der Tür geirrt hat.
Sie wurde begleitet von Ihrem Mann, der Ihr den Arm hielt und Sie ganz Gentlemanlike die Stufen hinauf führte. Solche Pärchen sind rar – genauso wie diese Haarpracht.
Ich vermied jeglichen Blick auf Ihre Haare und konzentrierte mich auf
diese kleinen Gesten zwischen den beiden. Sie waren eingespielt aufeinander und die Rollenverteilung war klar definiert. Irgendwie kamen Sie mir vertraut vor, obwohl ich beide zum ersten Mal in meinem Leben gesehen hatte.
Sie stolzierte hinein und reichte mir die Hand, wie zu einem Handkuss.
Ich mag diese Hollywood Diven Aura einfach, kokett dominant, unnahbar und schwer zu durchschauen – kein Wunder, eben mit dieser Attitüde bin ich ja aufgewachsen.
Als wir Platz nahmen und ich das Wort ergreifen wollte, teilte mir Lola unter Tränen mit, das Sie eigentlich gar nicht hier sein wollte.
“ Mein Leben ist vorbei, wenn ich meine Haare verliere.Ich will lieber sterben.“
“ Autsch „, diese Aussage traf mich heftiger als erwartet, obwohl ich ja schon einiges bis dato erlebt hatte, war diese Aussage gar nicht angenehm. Ein falsches Wort könnte jetzt eine Lawine auslösen.
Wenigstens teilte Sie sich mit, dachte ich mir und nur so kann man miteinander arbeiten.
Klar, sind Frauen geschockt und verwirrt nach der Diagnose und das zu Recht, aber bei den meisten setzt die Sorge um den Haarverlust erst ein klein wenig später ein, oder dient als Ablenkungsmanöver. Aber die Haare dem eigenem Leben vorzuziehen, war selbst für mich neu.
Wenn mir die Betroffene gar nichts an Emotionen vermitteln, habe ich oftmals das Gefühl das Sie alles über sich ergehen lassen und nicht wirklich Herr über die Lage werden wollen.
Lola war anders, auch wenn mir der Inhalt Ihrer Aussage nicht gefiel.
Respekt zu haben vor Ängsten und Gefühlen der Patientin ist das wichtigste in dieser Phase und da Sie mich nicht einmal zu Wort kommen ließ, wusste ich , das in ihr ein Vulkan brodelte.
„Lola, ich könnte besser nachvollziehen warum Sie so denken, wenn Sie mir berichten würden wie Ihre Diagnose lautet und wie ich Ihnen helfen kann.“
„Darüber möchte ich nicht reden. Das ist tabu. Das geht Sie außerdem auch gar nichts an. Eigentlich will ich gar nicht hier sein. Das ist eh alles unnötig .“
Wow, den Ton den Sie am Leib hatte, war unglaublich.
Antihaltung ! Verbitterung ! Wut ! schmetterte mir entgegen.
Ich glaube die meisten würden nach so einem Satz sagen : Wie bitte, wie ist die denn drauf ???
Mein Kopf ratterte.
Wenn man mit kranken Menschen arbeitet, muss einem bewusst sein, das Glasseehandschuhe und Geduld ganz groß geschrieben werden. Verbitterung kann leider eine erste Reaktion auf die Diagnose sein und damit muss man definitiv zurecht kommen.
Ich kann gut nachvollziehen, das wenn man wütend ist, Dinge sagt, die man nicht so meint – aber das Tal ist eh schon tief genug und das muss einfach nicht sein.
Die Reue darüber wird sowieso kommen.
Warum also damit warten Tacheles zu reden, je eher desto besser, bevor zwischenmenschliche Beziehungen leiden oder sogar zerstört werden.
Da spreche ich erstens aus eigener Erfahrung und zweitens erlebe ich das Tag für Tag mit meinen Patientinnen.
Vielleicht ist das gerade der Grund warum ich sensibler als im Normalfall reagiere. Manche Taten oder Gesagtes kann man einfach nicht mehr zurück nehmen.
Puffer zwischen den Parteien zu schaffen, ein Auffangbecken zu geben oder einfach nur der/diejenige sein, welche/r sich traut, den Betroffenen Paroli zu bieten kann ne Menge bewirken.
Die Krankheit ist kein Freifahrtsschein dafür respektlos zu sein, egal in welcher Form und egal von welcher Seite.
Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, das Ihr Mann zum einen litt, als er die Aussage hörte und zum anderen förmlich im Boden versank, weil er sich für das ruppige Benehmen seiner Frau schämte. Gerade als er etwas dazu sagen wollte, stand ich auf und hielt Ihr die Hand zur Verabschiedung hin.
“ Sie müssen nicht hier sein, ich habe Sie nicht hergebeten, sondern Sie haben mich kontaktiert.
Ich weiß nicht warum Sie solche Aussagen tätigen, die Chance diese und Sie zu verstehen haben Sie mir genommen, in dem Sie ganz klar einen Riegel davor geschoben haben. Ich rolle den pinken Teppich für meine Patientinnen aus, aber bestimmt nicht den roten.
Vor allem dann nicht, wenn Sie respektlos mir gegenüber sind und in diesem Ton mit mir reden.
Ich habe eine menge Verständnis für Ihre Situation, aber es gibt Grenzen und diese haben Sie gerade deutlich überschritten. Ich wünsche Ihnen alles Gute. “
Fassungslos starrte mich Lola an und verweigerte mir Ihre Hand, man konnte ganz deutlich erkennen das Sie nicht gehen wollte.
In diesem Moment suchte Sie den Blick Ihres Gatten und erflehte förmlich seine Hilfe. Doch er verstand sehr wohl, das er Sie jetzt ins offene Messer laufen lassen musste, damit Sie sich dem Konflikt stellte.
“ Eine Entschuldigung wäre mehr als angebracht „, meinte er ganz trocken.
Sie rang nach Fassung und man sah Ihr den innerlichen Kampf an. Sie wusste ganz genau, das Sie im Unrecht war. Aber Sie gehörte zu der Generation, denen eine Zacke aus der Krone fiel, sobald es darum ging sich Schwächen einzugestehen.
Ich habe gar nicht auf Ihre Entschuldigung gewartet. Für mich war schon die Tatsache das Sie darüber nachdachte Erfolg genug.
Hintergrundinformationen sind für mich einfach Hauptbestandteil meiner Arbeit. Ich muss abwägen können, ob die Perücke wirklich von Nöten ist oder nicht. Es gibt leider Gottes Diagnosen, die nur ein gewisses Zeitfenster haben und gerade dann sollte man einen anderen Lösungsweg vorschlagen.
Wenn ich ein Verkäufer wäre, würde ich das wahrscheinlich ignorieren, aber dem ist nicht so. Mir ist wichtiger der Patientin wirklich zu helfen und zu unterstützen, als Ihr etwas aufzuschwatzen, von dem Sie nicht wirklich lange etwas haben wird.
Die Medikationen, Zyklen, Therapieabläufe und Teilnahme an Studien, all das ist einfach hilfreich für meine Arbeit und die Reaktion ist immer wieder aufs neue dieselbe : warum, wieso, weshalb.
Sinn und Zeitfenster – darum. Und ich glaube, mehr muss man gar nicht dazu sagen.
Lola gab nach und packte aus.
Ich habe innerlich nur mit dem Kopf geschüttelt, denn Sie hatte trotz der schlimmen Diagnose, die beste Diagnose.
Aber woher sollte Sie das auch wissen. Wenn Ihre Reaktion genauso war, wie zu Beginn unseres Gesprächs, wird Sie nur die Hälfte davon mitbekommen haben.
Angst und Panik ist immer die erste Reaktion und jeder Mensch reagiert darauf anders. Die eine hört genau hin, die andere hört weg und die nächste hört nur das was sie hören will.
Lolas Mann war überfordert ,er wusste nicht ob er Sie einfach gewähren lassen sollte oder mit der Faust heftig auf den Tisch schlagen sollte.
Ich erklärte Ihnen in vereinfachter Form, warum, wieso, weshalb man trotz erfolgreicher OP Ihr zu einer Chemotherapie riet und das es nur sei um das Restrisiko auszuschließen.
Ein Onkologe empfiehlt keine Chemotherapie einfach so um jemanden zu ärgern oder sich daran zu bereichern.
Als ich vor 10 Jahren in diesem Bereich angefangen habe zu arbeiten, schwirrten diese Gerüchte und Aussagen immer mal wieder durch die Krankenhausräume, aber mittlerweile weiß ich das einzuordnen.
Man kann es mit dem Vorzuteilen, die an der Perücke haften vergleichen.
Das ist alles Unsinn – und von den Kliniken und Ärzten mit denen ich zusammenarbeite , weiß ich das zu 100 Prozent.
Ich wusste aus welcher Klinik Lola kam und wie gut Betreuung und Aufklärung dort sind, also warum in Gottes Namen sträubte Sie sich so dagegen. Das es dabei nur um Ihre Haare ging, konnte ich definitiv nicht glauben.
Eine Chemotherapie ist keine Spazierfahrt und ich würde auch alles hinterfragen und Informationen einholen – wahrscheinlich auch meine Pro und Contra Liste im Gilmore Girls Style führen.
Aber auf Anraten des Arztes dennoch auf die Chemo zu verzichten um meine Haare zu retten, da bin ich raus.
Jede Patientin hat das Recht auf Einwände, Zweifel, Zweit- oder sogar Drittmeinung, aber auch wenn man Ihnen einen kompletten Leitfaden mitgibt, Tipps oder Empfehlungen – sie haben nur zwei Möglichkeiten – dafür oder dagegen, und beides ist verbunden mit Konsequenzen.
„Wenn ich die Chemotherapie machen würde, müsste ich meine Selbstständigkeit aufgeben und das will ich nicht.
Wir wohnen in einem schicken Dörfchen in Süddeutschland, wo jeder jeden kennt und wir bekleiden dort schon einen gewissen Rang.
Mein Mann ist Arzt und ich habe meinen eigenen Betrieb. Soll ich mich verstecken oder wie?
Die Leute werden sich das Maul zerreißen oder mich bemitleiden und ich will weder das eine noch das andere.
Wir haben im Nachbortort eine Wohnung, vielleicht ziehe ich mich dorthin zurück und nehme mir ein Jahr Auszeit, aber dann wird die Meute wahrscheinlich behaupten wir hätte eine Ehekrise.
Meine beiden Söhne studieren und können jetzt keine Ablenkung gebrauchen.
Ich habe gut gelebt, vielleicht ist es jetzt einfach an der Zeit zu gehen.
Ich kann ja nicht einmal zum Bäcker gehen,sobald ich aus der Tür raus wäre, würden Schneider, Gemüsemann und Co. wissen, das ich krank bin. Das schickt sich einfach nicht.“
Sie versank vor mir förmlich im Selbstmitleid und redete sich in Rage.
Der Vulkan war sozusagen explodiert.
Das Alles hatte irgendwie null mit meinem Job zu tun, da Sie sich ja mehr oder weniger gegen die Chemo entschieden hatte.
Ich konnte aber nachempfinden was in Ihr vorging.
Wenn ein Patientin Vertrauen fasst und loslässt ist das wie ein Ritterschlag und das ist leider etwas was die wenigsten in dieser Branche verstehen.
Ferner lagen zwischen der Patientin und mir ein Altersunterschied von rund 30 Jahren und so blöd wie sich das anhören mag, die alte Garde tickt einfach anderes und das muss man einfach respektieren. Ihre Ansichten waren veraltet und die Sorge um Ihr Standing wichtiger als alles andere.
Aber ! Ihre Geschichte klang wie ein Mix aus meiner eigenen Familie.
Das 500 Mann Dorf auf Sardinien, war auf einmal ganz nah. Nur zu gut weiß ich ,was es bedeutet Rechenschaft abzulegen. Meine Nonna, sowie meine Mutter hätten ein gemeinsames Liedchen darüber trällern können.
Wenn ich alles auspacken würde, was Lola mir mitteilte wäre ich damit schreibtechnisch gesehen, bestimmt ein paar Monate beschäftigt. Alles hat einfach immer einen Ursprung und das wird hier wieder mehr als deutlich. Ich bin froh das ich nicht dazu neige schnelle Urteile zu fällen, auch wenn mir das nicht immer ganz so leicht fällt.
Lolas Kindheit war geprägt vom Bestreben der Mutter zu imponieren und zu gefallen.
Körperliche Zuneigung, sowie Lob und Anerkennung kannte sie nicht.
Egal ob es schulische Leistungen waren oder das mit anpacken im Haushalt, für Lolas Mutter war das alles selbstverständlich. Diese Kälte und Distanz sollte kein Kind zu spüren bekommen.
Das einzige Ritual was zwischen Mutter und Tochter bestand, wurde praktisch zur Fixation und Rettungsanker für Lola : das abendliche Haare kämmen.
Kurz vorm zu Bett gehen setzte sich die beiden zusammen und Lolas Mutter kämmte ihr so vorsichtig wie nur irgendwie möglich die Haare und das bis zu Ihrem 14.Lebensjahr. Sie trichterte Lola ein, das Sie niemals Ihre Haare kurz schneiden lassen dürfe, da Männer nur Frauen mit langem Haar begehren würden und kurze Haare auf Krankheiten schließen würden.
Nun war ich fassungslos.
Dieser Frau wurde von klein auf eingeredet das lange Haare das non plus Ultra seien – da sind selbst
Argumente wie Leben oder Lebensqualität belanglos.
Dennoch habe ich alles versucht und getan. Nach zwei Stunden und unzählig verbrauchten Taschentüchern war Lola zumindest bereit, sich ausmessen und archivieren zu lassen und darüber nachzudenken die Chemotherapie in Erwägung zu ziehen.
Ihr Mann schien so erleichtert und ich hoffte bei der Verabschiedung das wirklich alles fruchten würde, was ich Ihnen mit auf den Weg gab.
An der Tür konnte ich mir aber eine Frage nicht verkneifen.
“ Was würde Ihre Mutter heute dazu sagen ? “
“ Keine Ahnung“, erwiderte Lola wie aus der Pistole geschossen, “ Ich bin von zuhause weggerannt “
Ich musste natürlich erst einmal schlucken, aber fasste dann allen Mut zusammen und fragte Sie :
“ So wie jetzt ?! “
Lola lächelte und ging. Das war das zweite Mal, das Sie sich von mir ertappt fühlte.
Über Tage hat mich dieser Fall beschäftigt. Ich habe sogar mit den zuständigen Ärzten geschimpft, aber Ihnen kann man auch keinen Vorwurf machen.
Die Patientin hat nun mal die Wahl.
Einige Zeit später erreichte mich eine Karte ohne Absender. Als ich die Karte aus dem Briefumschlag holte und ein 100 € Schein heraus glitt , konnte ich mir schon denken worum es ging.
– Erfahrung ist nicht das, was einem widerfährt. Erfahrung ist was du aus dem machst, was dir widerfährt –
Danke für Alles. Lola
Ich war dankbar und das bezog sich nicht auf das Geld , sondern dafür das sie mir freundlicherweise mein Kopfzerbrechen nahm und mir mitteilte das Sie sich für Ihre Haare entschieden hatte.
Aber glücklich war ich über diese Entscheidung nicht. Das glich einfach einem Glücksspiel.
Ich kann nicht bestreiten, das ich immer wieder mal über Lola nachdachte, …. aber es kam nichts und die Klinik durfte aufgrund Ihre Schweigepflicht auch nichts preisgeben.
Zwei Jahre später klingelte mein Telefon.
“ Hallo, hier ist Lola“
Nach zwei Jahren war der Krebs zurück, bzw. die Sorge, das man eventuell nicht alles erwischt haben könnte, wurde bestätigt.
Lola kam mit Ihrem Mann und einem Ihrer Söhne – ein angehender Arzt.
Nachdem wir uns ausgetauscht hatten was die letzten zwei Jahre so passiert war, gab Sie mir grünes Licht die Anprobe zu gestalten.
Die Chemotherapie würde dieses Mal auch aggressiver sein müssen, somit auch Augenbrauen und Wimpern in Mitleidenschaft gezogen werden. Hätte Sie mal vor zwei Jahren schon reagiert und sich dafür entschieden, dann wäre es wahrscheinlich in dieser Dosierung und Stärke gar nicht notwendig gewesen.
Aber ich wollte nicht meckern, sondern motivieren und ermutigen und ich war erleichtert das Sie nun gewillt war, sich wirklich zu stellen.
Zum Glück konnten wir die Pigmentierung der Augenbrauen terminlich sofort unterbringen und vereinbarten zum nächsten Zyklus die Anprobe.
Alle wirkten zuversichtlich und ich war gerührt zu hören wie viel Einfluss unser damaliges Treffen auf Lola gehabt haben musste, den Ihr Sohn konnte alles 1:1 wiedergeben und bedankte sich rückwirkend noch mal dafür.
Der besagte Anprobe Termin war eine glatte Katastrophe, in der Art habe ich das auch noch nicht erlebt.Schon beim Eintreten wurde mir bewusst, das die letzten 3 Wochen an Ihr gezerrt hatten.
Ihre Gleichgültigkeit stand Ihr im Gesicht geschrieben.
Egal wie gut Lola mit den Perücken aussah, Sie empfand sich einfach als furchtbar und hässlich. ( und wenn ich sage gut, meine ich wirklich gut. Die langen Echthaarperücken waren wie gemeißelt )
Die Tatsache das der Haarverlust schon eingesetzt hatte, war natürlich nicht besonders förderlich – aber alles reden oder überreden half nichts – die Antihaltung blieb und Sie steigerte sich so in diese Aussichtlosigkeit herein, das selbst ich mit meinem Latein am Ende war. Man musste kein Experte sein, um zu erkennen das Sie sich in einer tiefen Depression befand.. Die letzten 3 Wochen hatten alles zu Nichte gemacht, was wir gemeinsam aufgebaut hatten.
Wir entschieden den Termin zu verschieben.
Die mentale Verfassung in der sich Lola befand war einfach nicht zu knacken und mir war die Perücke so etwas von egal, denn ich machte mir um ganz andere Dinge sorgen.
Denn auch das Thema Depression gab es in meiner Familie.
Zum nächsten Chemoblock rief mich Lolas Sohn an. “ Meine Mutter ist nicht einmal angereist, Simona . Sie hat sich ausgeklinkt – damit meine ich wirklich ausgeklinkt, aus Allem und wir müssen das wohl oder übel akzeptieren.“ Mir liefen die Tränen.
“ Also rennt Sie weg, wie immer …. “ das war mein einziger Kommentar.
Ich dankte ihm für den Anruf und wünschte seiner Familie alles Gute.
Der Fall war mir eh schon zu sehr unter die Haut gegangen.
Ein weiser Satz meiner Oma schoss mir durch den Kopf und davon hatte Sie einige auf Lager, gerade wenn Sie merkte das ich enttäuscht war oder getröstet werden musste.
„Einen alten Baum kann man nicht verpflanzen, Simona. Er wächst vielleicht mal in eine andere Richtung, aber die Wuzeln sind tief verankert.“
Ich kann Lolas Muster nicht durchbrechen oder Sie ändern. Sie ist geprägt von Ansichten, die man ihr mit auf Ihren Weg gegeben hat. Sie hat nie gelernt sich zu stellen.
Ob richtig oder falsch, das Recht darüber zu urteilen habe ich nicht.
Klar müssen wir nicht alles annehmen und akzeptieren was unsere Eltern uns eingetrichtert haben, aber man darf nie vergessen, das vor einigen Generationen Respekt noch anders definiert wurde.
Folge zu leisten, ohne zu hinterfragen war einfach Normalität.
Auch wenn Lola Ihrer Mutter den Rücken gekehrt hat und weg rannte, hat Sie sich nicht wirklich gelöst.
Aber auch in diesem Fall denke ich an meine Oma. Sie würde mit mahnendem Zeigefinger vor mir stehen und mir ganz klar sagen, das ich Entscheidungen ob und wie ein anderer Mensch leben möchte hinnehmen müsse, auch wenn Sie meines Erachtens nicht richtig erscheinen.
Ich wünsche Lola, das Sie nicht mehr rennen muss, denn ich weiß und kann nachempfinden das Sie müde ist.
In tiefer Verbundenheit Simona